Bedeutung von Totholz in Fließgewässern


Lebensraum für Fische

Durch die Veränderung von Morphologie, Hydraulik, Hydrologie und Stoffhaushalt des Gewässers hat Totholz indirekt Einfluss auf die Besiedlung. Jedoch ist Totholz daneben auch direkt Lebensraum für die Fischfauna.
CROOK & ROBERTSON (1999) geben einen guten Überblick über die bis dahin veröffentlichte Literatur über die Bedeutung von Totholz für die Fischfauna. Sie nennen folgende wichtigen Funktionen und diskutieren mögliche Unterschiede in der Bedeutung von Totholz in kiesgeprägten Mittelgebirgs- / Gebirgsgewässern und sandgeprägten Tieflandgewässern (unterscheiden sich hinsichtlich Trübung, Wassertiefe und Strömungsgeschwindigkeit):

1.) Die wichtigste direkte Wirkung von Totholz auf die Fischfauna scheint im Schutz vor Prädatoren zu bestehen (HALL & BAKER 1975, 1982 zitiert in EVERETT & RUIZ 1993, BOUSSU 1954, CHAPMAN & BJORNN 1969, HARTMAN 1965, HUNT 197 zitiert in BRYANT 1983, FRASER & CERRI 1982, TRISKA & CROMACK 1980). Dies gilt sowohl für den vertikalen Sichtschutz (Schutz vor terrestrischen Räubern wie den Kormoran), als auch für den horizontalen Sichtschutz und die physische Trennung von Lebensräumen (Schutz vor aquatischen Räubern)(PETER, 2003).
So nimmt DOLLOFF (1983, zitiert in EVERETT & RUIZ 1993) an, dass Totholz eine Sichtbarriere bildet, welche die intraspezifische Konkurrenz zwischen Jungfischen der Lachse verringert.
ZIKA & PETER (2002) konnten schon innerhalb des ersten Jahres nach dem Eintrag von Sturzbäumen in ein alpines Gewässer in Lichtenstein eine Zunahme des Vorkommens und der Biomasse von Salmo trutta und Oncorhynchus mykiss feststellen. FRASER & CERRI (1982) fanden bei Anwesenheit von Prädatoren in Bereichen hoher Strukturvielfalt, unter anderem in Form von Totholz und Wurzeln, eine höhere Dichte der Beutefische (Elritzen) als in strukturärmeren Bereichen.
CROOK & ROBERTSON (1999) nehmen an, dass die Bedeutung von Totholz als Sichtschutz in den trüberen und tieferen sandgeprägten Tieflandgewässern geringer ist, als in den klaren und flachen, kiesgeprägten Mittelgebirgs- und Gebirgsgewässern.

2.) Eine weitere wichtige Funktion ist die Schaffung von Stillwasserbereichen als Rückzugsorte bei Hochwasser und als Standort mit geringem Energieverbrauch. Diese Funktion ist nach CROOK & ROBERTSON (1999) sehr wahrscheinlich bei Hochwasser auch in sandgeprägten Tieflandgewässern von Bedeutung.

3.) Neben dem direkten Einfluss auf den Lebensraum der Fische, stellen die auf dem Holz vorkommenden Makroinvertebraten eine wichtige Nahrungsquelle für insektivore Fische dar (BENKE et al. 1995 zitiert in BENKE & WALLACE 1990, EVERETT & RUIZ 1993). Dies trifft in besonderer Weise für die sandgeprägten Tieflandgewässer zu, in denen Totholz das einzige Hartsubstrat für das Makrozoobenthos darstellt.

4.) CROOK & ROBERTSON (1999) diskutieren auch die Bedeutung von Totholz als Orientierungshilfe.


Von großer Bedeutung ist die Komplexität des Totholzs. Reich gegliederte Totholz - Akkumulationen aus Stämmen, Ästen und Zweigen oder Sturzbäume mit Krone und Wurzelballen bilden komplexe Lebensräume, die eine Vielzahl an ökologischen Nischen bereitstellen (HARMON et al. 1986). Mit zunehmender Strukturvielfalt der Totholz - Ansammlungen vergrößert sich auch das Vorkommen von Fischen in deren Umgebung (FORWARD 1984 zitiert in HARMON et al. 1986).
Totholz - Dämme stellen für Fische potentielle Wanderungshindernisse dar. Selten wird aber der Zugang zu größeren Teilen der Laich- und Aufzuchtgebiete versperrt (HARMON et al. 1986). BRYANT (1983) vertritt ebenfalls die Meinung, dass die Einschränkung der Durchgängigkeit durch Totholzbarrieren in der amerikanischen Literatur überbewertet worden ist. Dämme, die während des sommerlichen Niedrigwassers als Wanderungshindernisse wirken, sind bei den winterlichen, höheren Wasserständen passierbar (BRYANT 1983). LISLE (1986) konnte ebenfalls keine Einschränkung der Durchgängigkeit durch Totholz - Barrieren feststellen.
Weitere nachteilige Auswirkungen können sich aus der Beeinflussung der Wasserqualität ergeben. Die Anreicherung von fischtoxischen Stoffen wie Terpenen oder Tropolonen, die Erhöhung des Biologischen - und Chemischen - Sauerstoff - Bedarfs (CSB, BSB) und die damit verbundene Verringerung des Sauerstoffgehalts, führen lediglich bei sehr hohen Totholz - Mengen, wie sie z.B. durch Schlagabraum in den U.S.A. entstanden sind, zu einer Gefährdung der Fischfauna (HARMON et al. 1986, BRYANT 1983).
Bei der oben aufgeführten Literatur handelt es sich fast ausschließlich um U.S.- amerikanische, kanadische und australische Arbeiten. Sie befassen sich zum größten Teil mit der Fischfauna von Lachs- und Forellengewässern. Aber auch für die mitteleuropäischen Fließgewässer ist mittlerweile die positive Wirkung von Totholz auf die Fischfauna nachgewiesen. Zu nennen wären hier die Untersuchungen von ZIKA & PETER (2002) (siehe dazu auch unter Forschungsprojekte) und der 'Grossversuch Totholz', in dessen Rahmen die Wirkung von Totholzeinbauten in Alpenrheinzuflüssen untersucht wurde (siehe dazu auch die Literaturhinweise). Auch Siemens (2005) beobachtete an der Wertach eine deutliche Zunahme der Bachforellen nach Einbringung von Totholz Strukturen. Des Weiteren profitierten demnach auch Schneider, Elritze, Koppe, Döbel und Barbe von den Totholz Strukturen. Jedoch konnte keine positive Wirkung auf die Äsche nachgewiesen werden. Dies ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass die Äsche als Freiwasserfisch das Habitat "Totholz" nur eingeschränkt als Unterstand nutzt und damit der oft als limitierende Faktor wirkende Fraßdruck der Fressfeinde (z.B. Kormoran) nicht gemindert wird. Eindeutige Aussagen zur Wirkung von Totholz auf die Äschen, sind beim derzeitigen Stand der Forschung jedoch nicht möglich.