Charakterisierung und Bewertung der Totholz-Ausstattung der Untersuchungsgewässer

Theoretische Einführung zu den Determinanten der natürlichen Totholz - Ausstattung von Fließgewässern

Vergleich der Kartierergebnisse mit Literaturdaten

Charakterisierung der Totholz - Ausstattung und Bewertung der Naturnähe

Gruppierung der Untersuchungsgewässer hinsichtlich der Totholz - Ausstattung


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Determinanten der natürlichen Totholz - Ausstattung von Fließgewässern

Um die vorgefundene Totholz - Ausstattung an den Untersuchungsgewässern charakterisieren und deren Naturnähe bewerten zu können, ist es notwendig eine zumindest grobe Vorstellung von der Ausprägung und Dynamik des natürlichen Zustandes zu entwickeln. Im folgenden sollen daher die in der Literatur genannten, grundlegenden Prozesse beschrieben werden, welche die Totholz - Menge und dessen Verteilung im Längsverlauf bestimmen.

A: Totholz - Menge

Die Totholz - Menge eines natürlichen Fließgewässerabschnittes wird bestimmt durch das Wechselspiel zwischen dem Totholz - Eintrag sowie dem Totholz - Austrag und Abbau (KELLER & SWANSON 1979).

Totholz - Eintrag:
Wichtige Voraussetzung für den Eintrag von nennenswerten Mengen ist das Vorhandensein eines uferbegleitenden Gehölzsaumes. Da in der Literatur mit Ausnahme weniger Sonderstandorte für den Untersuchungsraum als potentiell natürliche Vegetation Waldformationen angegeben werden (MEISEL 1960, 1961, KÜRTEN 1977, PAFFEN et al. 1963, BURRICHTER 1973), ist anzunehmen, daß die Untersuchungsgewässer auch natürlicherweise unter Wald verlaufen würden.
In Wäldern entsteht Totholz durch den natürlichen Alterungsprozeß und Konkurrenzdruck, wobei, in Abhängigkeit von der Entwicklungsphase des Waldes, sehr unterschiedlich große Mengen anfallen können (HARMON et al. 1986, GURNELL et al. 1995, ECKERT et al. 1996). Im Gegensatz zu der besonders totholzreichen Zerfalls- und Zusammenbruchsphase findet sich auch im Naturwald in der Dickungs-, Schlußwald- und Optimalphase eine sehr viel geringere Totholz - Menge (SCHERZINGER 1996).

Daneben ist die Totholz - Menge von der Produktivität des Standortes abhängig (SCHERZINGER 1996).
Diese hohe Variabilität wird verstärkt durch den Einfluß von Katastrophenereignissen (FETHERSTON et al. 1995, ECKERT et al. 1996). Hier wäre zum einen der Totholz - Eintrag durch Massenbewegungen wie Lawinen, Rutschungen und Muren zu nennen, welcher sich jedoch auf Mittelgebirgs- und Gebirgslagen beschränkt (KELLER & SWANSON 1979). Windwurf kommt vor allem auf exponierten Flächen, bei für Sturmschäden anfälligen Baumarten, geringer Bodenmächtigkeit und schlechter Durchwurzelbarkeit vor (HARMON et al. 1986). Daneben können große Mengen an Totholz auch durch Insektenkamalitäten und Waldbrände anfallen (HARMON et al. 1986). Vor allem in mäandrierenden Gewässern mit leicht erodierbarem Ufermaterial und daher hohem lateralen Entwicklungsvermögen spielt der Totholz - Eintrag durch Ufererosion eine bedeutende Rolle (MURPHY & KOSKI 1989, HARMON et al. 1986).
Der überwiegende Teil dieses Totholzes, welches vom Ufer her eingetragen wird, hat seinen Ursprung in einer Entfernung vom Gewässer, die der durchschnittlichen Baumhöhe des Bestandes entspricht (MCDADE et al. 1990, VANSICKLE & GREGORY 1989, ROBISON & BESCHTA 1990c). In steilen Kerbtälern kann sich diese Entfernung der Totholz - Quellen durch hangabwärts gerichtetes Abrutschen des Totholzes und Massenbewegungen vergrößern (HARMON et al. 1986).
Neben dem Eintrag aus dem Uferwald, kann es bei Hochwasserereignissen oder Murenabgängen zu einer Verlagerung von Material aus dem Oberlauf kommen (FETHERSTON et al. 1995).

Totholz - Austrag und Totholz - Abbau:
Der Totholz - Bestand eines Gewässerabschnitts verringert sich zum einen durch die Verlagerung von Material in den Unterlauf bei den oben genannten Hochwasserereignissen und Murenabgängen (KELLER & SWANSON 1979).
Ein weiterer wichtiger Prozeß, welcher zur Verminderung der Totholz - Menge führt, ist der Zerfall des Holzes. Neben der Umsetzung des organischen Materials durch Pilze und Bakterien, werden die wasserlöslichen organischen Stoffe durch die fließende Welle ausgewaschen (HARMON et al. 1986). Die Abbaugeschwindigkeit ist sowohl von totholzspezifischen Größen wie der Baumart, dem Nährstoffgehalt, dem Anteil von Hartholz am Totholzvolumen und dem Oberflächen / Volumen - Verhältnis als auch von der Temperatur und dem Nährstoffgehalt des Wassers abhängig (HARMON et al. 1986, MURPHY & KOSKI 1989, MELILLO et al. 1983). Sie ist bei Koniferen besonders gering (vgl. Kapitel "Wirkung: Lebensraum und Nahrungsquelle für MIV").
Der Zerfall verläuft beim submersen Totholz aufgrund des Sauerstoffmangels i.d.R. langsamer als am Ufer (SEDELL et al. 1988 zitiert in GURNELL et al. 1995, TRISKA & CROMACK 1980, MASER & TRAPPE 1984). Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, daß durch Abrasion der obersten Holzschicht das im Gewässer befindliche Totholz schneller zerfällt. WARD & AUMAN (1986) konnten dies im Kaskadengebirge (Oregon, USA) in einem mit 10% relativ gefällereichen Gewässerabschnitt 3. Ordnung beobachten.

B: Verteilung des Totholzes im Längsverlauf

In einer Vielzahl der nordamerikanischen und australischen Arbeiten wird davon ausgegangen, daß die Totholz - Menge und ihre Verteilung im Längsverlauf von der Gewässergröße abhängt (FETHERSTON et al. 1995, GIPPEL et al. 1996b, KELLER & SWANSON 1979, SWANSON & LIENKAEMPER 1978, GURNELL et al. 1995, MASER & TRAPPE 1984, TRISKA & CROMACK 1980) (Abb.54).

Abb.54: Vorkommen und Verteilung von Totholz in Abhängigkeit von der Gewässergröße, Aufsicht (aus GURNELL et al. 1995, S. 159, verändert)

Demnach reicht in kleinen Gewässern erster und zweiter Ordnung die Transportkraft der Hochwasserereignisse nicht aus, um größeres Totholz zu verlagern. Die Verteilung wird lediglich vom Totholz - Eintrag bestimmt und ist daher i.d.R. relativ gleichmäßig. Größere Akkumulationen kommen nicht vor. Die Totholz - Menge ist hier am größten.
Die Verlagerung des Totholzes führt in mittelgroßen Gewässern dritter und vierter Ordnung zur Bildung großer Akkumulationen, welche die gesamte Gewässerbreite einnehmen. Kleinere Totholz - Elemente werden vom Hochwasser verlagert und verfangen sich an lagestabilen großen Sturzbäumen und anderen Hindernissen.
In großen Fließgewässern wird bei Hochwasser der überwiegende Teil des Totholzes in den Unterlauf abtransportiert oder auf Inseln und am Ufer abgelagert und hat nur noch einen geringen Einfluß auf das Gewässer.
Dieser Zusammenhang zwischen der Totholz - Menge, deren Verteilung im Längsverlauf und der Gewässergröße, wurde von MINSHALL et al. (1983, zitiert in WALLACE & BENKE 1984) nachgewiesen.

Beschreibungen historischer Zustände von großen Flüssen im Südosten der USA zeigen jedoch, daß auch dort natürlicherweise große Mengen an Totholz vorkommen, die einen bedeutenden Einfluß auf die Besiedlung und die Morphologie dieser Gewässer gehabt haben müssen (MASER & TRAPPE 1984, TRISKA 1984, WALLACE & BENKE 1984).


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Vergleich der Ergebnisse mit Literaturdaten

Um abschätzen zu können, in welcher Größenordnung die an den Untersuchungsgewässern vorkommende Totholz - Menge liegt, werden die Ergebnisse der hier vorliegenden Arbeit im folgenden mit den Daten naturnaher mitteleuropäischer und nordamerikanischer Fließgewässer verglichen.

Datenquellen und Vergleichbarkeit:
Für den mitteleuropäischen Raum liegen kaum vergleichbare Daten vor. Lediglich bei ECKERT et al. (1996), HERING & REICH (1997) und WEIß (1998) finden sich Angaben zum Totholz - Volumen naturnaher Bäche in Baden - Württemberg, dem Elsaß, Hessen und der Eifel.
Zur Erfassung der Totholz - Menge wurden unterschiedliche Kartiermethodiken verwendet. Die größte Übereinstimmung weist das hier verwendete Verfahren mit dem von WEIß (1998) auf. Dort wurde Totholz ab einem Durchmesser von 5 cm und einer Länge > 50 cm kartiert. HERING & REICH (1997) ziehen zur Abgrenzung vorrangig die Länge der Holzstücke heran. Sie definieren Totholz als alles liegende Holz mit einer Mindestlänge von einem Meter, bei geringeren Längen mit einem Mindestumfang von > 20 cm, was einem Mindestdurchmesser von etwa 6,4 cm entspricht. Bei ECKERT et al. (1996) findet sich keine explizite Definition von Totholz, so daß unklar bleibt, ab welcher Mindestgröße die einzelnen Strukturen aufgenommen wurden.
Um die unterschiedlich breiten Untersuchungsabschnitte vergleichen zu können, werden die Werte von HERING & REICH (1997) und WEIß (1998), welche in m3/ 100 m angegeben werden, unter Verwendung der genannten Gewässerbreiten auf die Sohlfläche bezogen. Zum Vergleich der Daten der vorliegenden Untersuchung mit den Ergebnissen der nordamerikanischen Arbeiten, wird für die sieben Untersuchungsabschnitte das Totholz -Volumen, entsprechend der dort verwendeten Totholz - Definition (Durchm. > 10 cm), berechnet. Die Strukturen ohne eindeutigen Durchmesser (Akkumulationen) gehen in das Volumen nicht mit ein.

Abb.55: Zusammenstellung der Totholz - Volumina naturnaher Fließgewässer in Mitteleuropa (Daten der vorliegenden Arbeit, WEIß (1998), HERING & REICH (1997), ECKERT et al. (1996)) und nordamerikanischen Autoren (HARMON et al. 1986, TRISKA & CROMACK 1980). Das Totholz - Volumen wird auf die Sohlfläche bezogen. Die unterschiedlichen zugrunde liegenden Totholz - Definitionen sind in der Legende angegeben.

Vergleich der Totholz - Volumina:
Im Vergleich zu den oben genannten mitteleuropäischen Untersuchungen, weisen die sieben Referenzgewässer mit Ausnahme des Eltingmühlenbaches ein geringes Totholz -Volumen auf, liegen jedoch in derselben Größenordnung (Abb.55). Im Gegensatz dazu findet sich in den nordamerikanischen Gewässern mit einem vier- bis neunzigfachen Volumen eine weitaus größere Totholz - Menge.
Da es sich ausschließlich um Untersuchungen handelt, die in Laubwäldern ("hardwood - forests") durchgeführt wurden, läßt sich die größere Totholz - Menge nicht allein durch den sehr viel langsameren Zerfall von Koniferen im Vergleich zu den heimischen Laubbaumarten erklären.
Entsprechend der Definition des Leitbildes über den heute potentiell natürlichen Gewässerzustand ist die geringe Totholz - Menge in den Untersuchungsgewässern nur dann negativ zu bewerten, wenn sie Folge eines anthropogenen Eingriffs, wie z.B. der forstlichen Nutzung des Uferwaldes oder der Räumung des Gewässers, ist. Sofern keine solchen gravierenden Störungen vorliegen, muß angenommen werden, daß die vorgefundenen Totholz - Ausstattung dem heute potentiell natürlichen Zustand nahekommt. Dieser kann aufgrund der hohen natürlichen Variabilität (vgl. Abschnitt: "Determinanten der natürlichen Totholz - Ausstattung von Fließgewässern") auch durch solch geringe Totholz - Volumen gekennzeichnet sein.


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Charakterisierung der Totholz - Ausstattung und Bewertung der Naturnähe

Die Totholz - Ausstattung der hier untersuchten sieben Gewässerabschnitte soll im folgenden charakterisiert und hinsichtlich ihrer Naturnähe bewertet werden.
Die Charakterisierung der morphologischen Wirksamkeit kann an den meisten Gewässern, aufgrund der fehlenden Informationen zu den Abflußverhältnissen, nur in Bezug auf die totholzspezifischen Parameter und die bekannten gewässerspezifischen Kenngrößen, wie Gefälle und Gewässerbreite, erfolgen. Von besonderem Interesse wären in diesem Zusammenhang Daten zu den gewässerkundlichen Hauptzahlen, wie dem Mittleren Hochwasser (MHQ) und dem Mittleren Niedrigwasser (MNQ).
Zur Bewertung der Naturnähe werden im wesentlichen vier Kriterien herangezogen. Dies sind die forstliche Nutzung des Bestandes, die Unterhaltungsmaßnahmen, insbesondere die Räumung der Gewässer, der Anteil des anthropogen eingetragenen Totholzes sowie die Artenzusammensetzung im Vergleich zur potentiell natürlichen Vegetation.
In Bezug auf das letztgenannte Kriterium kommen die sieben Untersuchungsgewässer dem potentiell natürlichen Zustand recht nahe. Zumindest finden sich dort keine standortuntypischen Baumarten, wie Fichten und Douglasien. Aufgrund der hohen natürlichen Variabilität, vor allem des Totholz - Eintrags (vgl. Abschnitt: "Determinanten der natürlichen Totholz - Ausstattung von Fließgewässern"), erscheint es wenig sinnvoll, die Bewertung der Totholz - Ausstattung, insbesondere des Totholz -Volumens, anhand von Vergleichen mit anderen naturnahen Fließgewässern vorzunehmen.
Die Einschränkung des Totholz - Eintrages durch Verlagerung aus dem Oberlauf, aufgrund eines fehlenden uferbegleitenden Gehölzsaumes, kann nicht berücksichtigt werden. Es ist anhand der vorliegenden Abflußdaten und dem begrenzten Wissen um die Verlagerbarkeit von Totholz - Strukturen nicht abzuschätzen, an welchen Gewässern der Eintrag aus dem Oberlauf von Bedeutung sein könnte.

Einzelbeschreibungen:
Buschbach

 
Schaagbach-Zufluß

 
Steinbach

 
Frölicher Bach

 
Gartroper Mühlenbach

 
Wienbach

 
Eltingmühlenbach

 


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Gruppierung der Untersuchungsgewässer hinsichtlich der Totholz - Ausstattung

Aufgrund der Ergebnisse im Abschnitt "Charakterisierung der Totholz - Ausstattung", lassen sich die sieben Untersuchungsgewässer in die folgenden drei verschiedene Gruppen einteilen (vgl. dazu auch Abschnitt "Verteilung im Längsverlauf"):

kleine Bäche:
An Buschbach und Schaagbach besitzt das Totholz, bedingt durch die geringe Gewässergröße, eine hohe Lagestabilität. Natürlich entstandene Totholz - Akkumulationen und Mega - Strukturen, die sich durch die Verlagerung von Material aus dem Oberlauf bilden, fehlen. Das Totholz - Volumen verteilt sich daher im Längsverlauf relativ gleichmäßig. Die Transportkraft des Gewässers reicht nicht aus, um einen größeren Teil der Totholz - Strukturen in eine strömungsparallele Lage zu drehen.

mittelgroße Bäche:
An Steinbach, Frölicher Bach und Gartroper Mühlenbach nimmt die Lagestabilität, aufgrund der zunehmenden Gewässergröße, ab. Es bilden sich, durch die Verlagerung von Material aus dem Oberlauf, quer zur Strömung liegende Akkumulationen und Mega - Strukturen aus. Das Totholz - Volumen ist im Längsverlauf weniger gleichmäßig verteilt.

große Bäche:
An Wienbach und Eltingmühlenbach nimmt die Lagestabilität weiter ab. Die Akkumulatio-nen und Mega - Strukturen bilden sich, im Gegensatz zu den mittelgroßen Fließgewässern, vorwiegend in strömungsparalleler Lage aus. Grund hierfür ist das durch die Räumungen bedingte Fehlen von großen Totholz - Elementen, an denen sich quer zur Strömung liegende Akkumulationen bilden könnten.

Dies entspricht der, in der Literatur genannten und im Abschnitt "Verteilung im Längsverlauf" beschriebenen, Abhängigkeit der Verteilung des Totholzes von der Gewässergröße. Bedingt durch die geringe Anzahl an großen Totholz - Elementen und aufgrund der Tatsache, daß in der vorliegenden Arbeit auch kleinere Totholz - Elemente kartiert wurden, verschiebt sich die Klassifikation der Fließgewässer im Vergleich zu der von GURNELL et al. (1995) hin zu sehr viel kleineren Gewässergrößen.